Mediation zwischen Verwaltung und Bürgern, München

Der Konflikt

Die Stadt München führte seit Frühjahr 2000 eine Renaturierung der Isarauen in ihrem Stadtgebiet durch. In weiten Teilbereichen war diese bereits erfolgreich abgeschlossen, mit großer Zustimmung der Bevölkerung. Für ein letztes Teilstück mitten im Stadtgebiet zwischen Braunauer Brücke und Cornelius Brücke am Deutschen Museum wurde ein europaweiter Realisierungswettbewerb ausgeschrieben. Der erste Preisträger sah die Beibehaltung der bisherigen linearen Strukturen des Uferverlaufs vor, mit Abgrenzung eines flachen Seitengerinnes zum Spielen und Baden. Der zweite Preisträger empfahl eine naturnähere Gestaltung.

Über die Frage, welcher Vorschlag verwirklicht werden sollte, entstand heftiger öffentlicher Streit. Die Stadtverwaltung war für den Entwurf des ersten Preisträgers. Die Öffentlichkeit und auch die Bezirksausschüsse sprachen sich fast einhellig für den zweiten Preisträger aus.

Der Meinungsstreit darüber wurde auch über die Medien so heftig geführt, dass sich die Stadt in Abstimmung mit den Bezirken und den betroffenen Vereinen und Verbänden zu einem Bürgerbeteiligungsverfahren zur Beilegung des Konflikts unter der Leitung eines externen Mediators entschloss.

Entwicklung der Konzeption

Das Beteiligungsverfahren erfolgte in zwei Schritten. Zunächst entwickelte der Mediator in Abstimmung mit der Verwaltung eine Konzeption des Beteiligungsverfahrens, die er in einer Vorbereitungssitzung mit Vertretern der Bezirksausschüsse, der betroffenen Bürgervereinigungen aus den Bereichen Natur- und Umweltschutz, Fischerei, Sport und allgemeine Freizeit, der Verwaltung und des Stadtrats vorstellte. Die Konzeption sah vor, keine neue Alternativplanung durch ein wie auch immer zusammengesetztes bürgerschaftliches Gremium zu versuchen. Wegen der Komplexität und Fachlichkeit der diesbezüglichen Planungen wäre dies nicht erfolgversprechend gewesen.

Stattdessen schlug der Mediator vor, die Planungen des 1. und des 2. Preisträgers in einer zweitägigen Sitzung einer vergleichenden Bewertung zu unterziehen. Am ersten Tag sollten zunächst die beiden Planungsbüros ihre Planungen noch einmal vorstellen, mit anschließenden Stellungnahmen durch den Umweltgutachter, die zuständigen Behörden des Freistaats Bayern und die beteiligten Ämter der Stadt München. Am zweiten Tag sollte die Bewertung der Planungen durch die Bürgerschaft anhand einer vom Mediator entwickelten, allseits abgestimmten Kriterienliste erfolgen. Die vorgeschlagene Vorgehensweise fand einhellige Zustimmung.

Stellungnahmen am 1.Tag:

  • Umweltgutachter
    Büro für Landschaftsarchitektur Dr. Schober
  • Freistaat Bayern, vertreten durch das Wasserwirtschaftsamt München
    Bayerisches Staatsministerium für Umweltschutz, Gesundheit und Verbraucherschutz; Regierung von Oberbayern; Landesamt für Wasserwirt-schaft; Fischereifachberatung für Oberbayern; Wasserwirtschaftsamt München;
  • Stadtverwaltung, vertreten durch das Baureferat/Tiefbau
    Referat für Gesundheit und Umwelt; Baureferat; Stadtplanungsreferat

Stellungnahmen am 2.Tag:

  • Sportler
    Bayerischer Kanuverband; Die Münchener Kanuvereine; Surfer
  • Fischer
    Fischereiverband Oberbayern; Die Isarfischer; Die Gesplissten
  • Allgemeine Freizeit
    Familienverbände; Kinder- und Jugendorganisationen: Städtischer Beraterkreis für barrierefreies Planen und Bauen; Verein Green City; Wasserwacht
  • Naturschutz und Umweltschutz
    Deutscher Alpenverein; Bund Naturschutz in Bayern; Landesbund für Vogelschutz; Isartalverein; Landesfischereiverband; Naturschutzbeirat
  • Freunde Haidhausen und Freunde Vorstadtverein Au
  • Bezirksausschüsse
    1, 2, 5, 6 und 18

Das Bürgergespräch

Das Bürgergespräch fand zwei Wochen später unter der Leitung des Mediators statt. Es war von einem sehr fachlichen und sachbezogenen Meinungsaustausch geprägt. Die Vertreter aller Gruppierungen waren ausnahmslos der Auffassung, dass der Entwurf des zweiten Preisträgers in nahezu allen Kriterien deutlich überlegen sei und legten dies an Hand der Kriterienlisten, die auf große Pinwände aufgezogen waren, überzeugend dar.

Das Ergebnis

Das Ergebnis war so eindeutig und sachlich begründet, dass die Realisierung des Entwurfs des ersten Preisträgers auch aus der Sicht der Vertreter des Stadtrats und der Stadtverwaltung nicht mehr in Betracht kam. Das Baureferat sicherte zu, dieses Ergebnis und die geäußerten Anregungen in den weiteren Planungsprozess mit einzubeziehen, allerdings unter Berücksichtigung bestehender rechtlicher und vertraglicher Rahmenbedingungen.

Damit war das Bürgerbeteiligungsverfahren abgeschlossen. Alle Beteiligten äußerten große Zufriedenheit über die Sachlichkeit, Offenheit und Fairness des Verfahrens und die gute Atmosphäre der Mediation. Die Vertreter der Bürgerschaft erklärten, sie hätten sich erstmals im ganzen bisherigen Diskussionsprozess wirklich ernst genommen gefühlt.

Auf dieser Grundlage wurde in der Folgezeit eine modifizierte Planung entwickelt und in Zusammenarbeit beider Planungsbüros in drei Bauabschnitten realisiert.

Feedback

  • Bürgerinitiative Isar Allianz
    „Die Mediation mit einem externen Mediator war der Höhepunkt der ganzen Geschichte. Dort war es möglich, am meisten von den eigenen Vorstellungen zu vermitteln und durchzusetzen. Dies war für uns äußerst wichtig, weil die Verwaltung uns in dem Mediationsverfahren erstmals ernst genommen hat.“
  • Landesbund für Vogelschutz
    „Vielen Dank für Ihre angenehme und professionelle Mediation und Ihre der Sache sehr dienliche Arbeit.“